Innovationsforum Hybrid-Heating in Aachen

Mit über 50 Vertretern aus Industrie, Wissenschaft und Verbänden fand am 11. und 12. April 2019 das zweitägige Innovationsforum Hybrid-Heating im SuperC der RWTH Aachen statt. Die Teilnehmer kamen zu gleichen Teilen aus der Region Aachen und NRW sowie aus anderen Teilen Deutschlands, zusätzlich reisten Teilnehmer aus anderen EU-Staaten an. Vertreten waren zu ca. 40 % produzierende Unternehmen und zu 25 % Dienstleistungsunternehmen. Weitere Teilnehmer vertraten Universitäten oder Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Transfereinrichtungen und Beratungsunternehmen, sodass insgesamt eine breit gefächerte Expertise zur Besprechung der Themen bereitstand.

Auf Basis der in den beiden vorangegangenen Fachworkshops erarbeiteten Inhalte wurden in den Vortragssessions die möglichen technischen Lösungen auf der Seite des Anlagenbaus und -steuerung, sowie die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für die Akteure in Industrie und Wirtschaft präsentiert. Bei der Hauptveranstaltung lag der Fokus auf der Kombination der in den Fachworkshops gewonnen Erkenntnisse zur Lösungsfindung sowie auf der Diskussion der Teilnehmenden untereinander. Auf diese Weise soll ein interdisziplinäres, überregionales Netzwerk zwischen Partnern aus den oben genannten Bereichen aufgebaut werden, um vor dem Hintergrund der Energiewende gemeinsam Lösungen für die flexible Nutzung hybrider Beheizungskonzepte in Industrieöfen und letztlich zur Einsparung von CO2 Emissionen zu finden.

Als Moderator führte Herr Robert Esser von der Aachener Zeitung durch die beiden Tage. Die Begrüßung und Eröffnung des Innovationsforums fand am ersten Tag durch Frau Brigitte Pottkämper, DLR-Projektträger für das Bundesministerium für Bildung und Forschung, statt. Vor dem Hintergrund der Förderinitiative „Innovationsforen Mittelstand“ des BMBFs ordnete Sie das Projekt gesamtpolitisch und mit Blick auf die Zukunft ein. Es folgte eine Vorstellung des Innovationsforums Hybrid-Heating durch Professor Herbert Pfeifer. Hierbei gab er einen Überblick über die Ergebnisse der ersten beiden Fachworkshops, über die politischen Vorgaben und Klimaziele und wie der hybride Betrieb von Industrieöfen beim Erreichen dieser Ziele helfen kann.

Die Motivation des Innovationsforums resultiert aus dem wachsenden Ausbau der erneuerbaren Energien wie Windkraft und Photovoltaik. Die Volatilität und Wetterabhängigkeit dieser Form der Energieerzeugung führt zu Lastschwankungen im Stromnetz und stellt Stromversorger, Netzbetreiber und Verbraucher vor neue Herausforderungen. Vor dem Hintergrund der Klimaziele und der Energiewende ergeben sich hieraus jedoch auch neue Marktpotentiale für Anlagenbetreiber. Das Innovationsforum sollte an dieser Stelle Akteure aus verschiedenen, durch die Energiewende betroffenen, Sektoren vernetzen und einen Austausch zur gemeinsamen Lösungsfindung ermöglichen. Somit soll ein Beitrag zum Erreichen der Klimaziele und zur erfolgreichen Durchführung der Energiewende geleistet werden.

Nachfolgend stellte Professor Pfeifer aktuelle Trends im Industrieofenbau vor, welche von alternativen Brennstoffen bis hin zu Energiespeichermöglichkeiten reichen. Dabei wurden aktuelle technische Möglichkeiten präsentiert, welche im Hinblick auf Energiewende im Industrieofenbau eine Rolle spielen könnten.

Lars Böhmer vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) und der Forschungsgemeinschaft Industrieofenbau e.V. (FOGI) stellte die Branche der Thermoprozesstechnik und des Anlagenbaus vor und verdeutlichte dabei die Komplexität der Anlagen. Da vor allem große Thermoprozessanlagen fast immer Spezialanfertigungen für den jeweiligen Einsatz sind, lässt sich eine allgemeingültige Lösung für den Bereich nicht direkt formulieren. Vielmehr muss jede Anlage gesondert betrachtet und auf Potentiale untersucht werden.

Nils Weil vom Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. erläuterte die Energiewende näher im Hinblick auf ihre konkreten Bedeutungen für die Industrie. Ein besonderer Fokus legte er auf den verschiedenen Möglichkeiten der Erzeugung von Prozesswärme aus Erneuerbaren Energien. Ihm folgten Professor Jörg Borchert (FH Aachen) und Lena Abt (Trianel GmbH) mit einem Vortrag über die konkreten Einbindungsmöglichkeiten von hybrid beheizten Industrieöfen in den bestehenden Energiemarkt. Hierbei wurde deutlich, dass vor allem flexibles Agieren der Anlagen am Markt wichtig ist um die Chancen auf wirtschaftliche Vorteile bestmöglich zu nutzen.

Christian Stolper von der Förderberatung „Forschung und Innovation“ des Bundes informierte im Anschluss über die verschiedenen Fördermöglichkeiten für Forschungs- und Entwicklungsprojekte in Deutschland. Die staatlichen Förderprogramme für die Entwicklung energieeffizienter Industrieöfen standen dabei im Vordergrund. Passend dazu folgte ein Überblick über aktuelle Energieforschungsprojekte in NRW, präsentiert Dr. Benedikt Rösen vom Cluster EnergieForschung.NRW der EnergieAgentur.NRW. Neue Initiativen des Landes NRW, im speziellen IN4climate.NRW und die Energieforschungsoffensive.NRW, wurden vorgestellt. Die Programme sollen die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Innovation des Industriestandorts NRW fördern und aufrechterhalten.

Die letzten Vorträge des ersten Tages hielten zwei Beteiligte der Norddeutschen Energiewende (NEW 4.0). Marleen Marks stellte die NEW 4.0 vor und erläuterte anhand der Modellregion Schleswig-Holstein, welches Potential die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien hier bereits realisieren kann. Als neuen Aspekt brachte Sie die Wahrnehmung der Energiewende seitens der Bevölkerung anhand einer Online-Erhebung ein. Dr. Matthias Weng (ArcelorMittal) zeigte die mögliche Flexibilisierung des Energieverbrauchs beispielhaft an einem Elektrostahlwerk. Als größtes Hemmnis der Flexibilisierungsmaßnahme stellte er die aktuell schlechte Wirtschaftlichkeit aufgrund der signifikanten Investitionen heraus.

In einer Podiumsdiskussion bereiteten Lars Böhmer, Marleen Marks, Herbert Pfeifer, Nils Weil, Matthias Weng und Frank Metzger (Trianel GmbH), angeregt durch Fragen aus dem Publikum, die Inhalte der zahlreichen Vorträge in einer lebhaften Diskussion auf. Im Fokus stand dabei die wirtschaftliche Realisierbarkeit der Konzepte. Außerdem diskutierten die Teilnehmer, welche Maßnahmen aus ihrem jeweiligen Standpunkt in der aktuellen Situation in Frage kämen, wie eine Gesamtlösung für alle Beteiligten aussehen könnte und welche Rahmenbedingungen dafür erfüllt sein müssten.

Der zweite Tag wurde von Professor Pfeifer mit einer Zusammenfassung der Inhalte des Vortags eingeleitet. Lena Abt informierte im Anschluss über die Rahmenbedingungen und Vermarktungsoptionen am Energiemarkt. Die Möglichkeiten zur Einbindung flexibler hybrider Anlagen in virtuelle Kraftwerke variieren dabei je nach Dienstleistungstiefe von der reinen Prognose bis hin zur Optimierung und Steuerung der Anlagenfahrweise. Im Anschluss erläuterte Aaron Gerdemann von der AVAT Automation GmbH, wie die Abstimmung in einem solchen intelligenten Energieversorgungsnetz in der Praxis ablaufen kann und welche technischen Lösungen dafür bereits existieren. Dazu stellte er den Prozess der flexiblen Laststeuerung beispielhaft an einem Zementwerk dar.

Auch der Betrieb eines Walzwerks kann flexibel gesteuert werden, wie Dr. Thomas Haschke von der SMS Group im nächsten Vortrag zeigte. Er ging dabei auf die mögliche, konkrete Durchführung der Laststeuerung und Flexibilisierung des Walzprozesses ein. Besonders durch hochdynamische Fahrweisen sind dabei große Einsparpotentiale realisierbar.

Im folgenden Vortrag betrachtete Dr. Joachim Wünning der WS Wärmeprozesstechnik GmbH konkret die Wirtschaftlichkeit aktueller Brennertechnik im Kontext Hybrid-Heating. Er verglich den Einsatz elektrischer Energie mit der Verbrennung von Erdgas hinsichtlich CO2-Emissionen und Energiekosten zum aktuellen Zeitpunkt sowie für unterschiedliche Zukunftsszenarien. Hierbei zeigte sich, dass Verbrennungsprozesse mit den aktuellen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen meist vorteilhaft gegenüber elektrische Beheizungsmethoden sind . Er begrüßte das Konzept der CO2-Bepreisung und sieht besonders auf Seiten der Politik Handlungsbedarf zur Anpassung der politischen Rahmenbedingungen, um CO2-Einsparungen zu fördern.

Ein konkretes Konzept zur Integration eines hybriden Rekuperators an einem Wiedererwärmungsofen eines Schmiedebetriebs stellte anschließend Dr. Wolfgang Bender (Hülsenbusch Apparatebau GmbH & Co KG) vor. Der hybride Rekuperator wurde im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit dem Institut für Industrieofenbau und Wärmetechnik der RWTH Aachen entwickelt. Im Weiteren Schritt ist die Kopplung mehrerer flexibler Anlagen inklusive der Automatisierung und der Teilnahme am Energiemarkt angedacht. Dies Erfordere weitere Interdisziplinäre Zusammenarbeit, in diesem Kontext werden Kooperationspartner gesucht.

Nachfolgend lieferten Olga Kobelev und Dr. Frank Püttgen (CMS Hasche Sigle) Einblicke in die vertraglichen Gegebenheiten, Haftung und Versicherbarkeit von Industrieanlagen. Insbesondere wurden vertragliche Besonderheiten bei Vertragsabschlüssen über hybride Anlagen hervorgehoben, da hier anders als bei konventionellen Anlagen die flexible Einbindung ins Stromnetz und die getroffenen Regelungen mit Netzbetreiber eine Rolle spielen.

Matthias Rehfeldt vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) konkretisierte Szenarien für das Erreichen der 1,5 °C Klimaziele und zeigte die damit verbundenen, für unterschiedliche Technologiegruppen individuelle Herausforderungen auf. Die Emissionsreduktionspotentiale eines Brennstoff- bzw. Technologiewechsels in der Industrie seien erheblich. Die Voraussetzung für die Szenarien ist dabei die Verfügbarkeit emissionsarmen Stroms vor 2030.

Anknüpfend an den Vortrag des ersten Tages von Dr. Benedikt Rösen stellte Dr. Michael Walther die Initiative IN4Climate.NRW als Teil des Clusters EnergieForschung.NRW vor. Die Initiative bietet dabei eine Wissens-, Arbeits- und Dialogplattform, auf der Vertreter verschiedener Branchen gemeinsam über den Weg zu einer klimaneutralen Industrie diskutieren können. Dadurch soll der Industriestandort NRW langfristig gesichert werden.

Im folgenden Vortrag präsentierte Dr. Martin Weng (aixprocess GmbH) zusammen mit der Athion GmbH ein Programm zur automatisierten Fahrplanerstellung unter Berücksichtigung schwankender Stromeinspeisungen und –preise. Dies ist ein Beispiel für die funktionierende, produktions- und preisadaptive Nutzung elektrischer Energie in einem energieintensiven Prozess. Im Anschluss stellte Dr. Marco Zander (Zander GmbH & Co. KG) eine vernetzte High-Speed Steuerung für Industrieöfen vor, welche die prozessleittechnische Möglichkeit für eine solche Laststeuerung mit Industrieöfen liefert. Mithilfe dieser Vernetzungstechnik können somit bspw. auch Industriebrenner in ein Industrie 4.0 Netzwerk eingebunden werden.

Den abschließenden Fachvortrag hielt Patrick Selzam (Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik) und fasste die Komplexität und Herausforderungen des durch die erneuerbaren Energien neu gestalteten Energiemarktes zusammen. Dabei ging er auf die Zahlungsströme am Strommarkt sowie die vorhandenen Anreizsysteme ein und zeigte Potentialanalyse-Tools auf. Final konkretisierte er kurz- und langfristige Empfehlungen für zukünftige, wirksamere Anreizsysteme sowie für das Energiemanagement.

Die insgesamt 19 Fachvorträge lieferten den Teilnehmenden aus unterschiedlichen Branchen einen guten Überblick über die Möglichkeiten und Herausforderungen seitens der Thermoprozesstechnik und des Energiemarkts, über rechtliche und technische Rahmenbedingungen sowie über zahlreiche Fördermöglichkeiten und laufende sowie abgeschlossene Forschungsprojekte. Die angeregten Diskussionen in den Pausen sowie die Podiumsdiskussion dienten dem fachlichen Austausch und dem Knüpfen neuer Kontakte.

Interessante Aspekte am Thema Hybrid-Heating
Interessante Aspekte am Thema Hybrid-Heating

In einer Umfrage wurden die Teilnehmenden gebeten, Ihre Eindrücke, Vorstellungen und Erwartungen in Bezug auf das Innovationsforum Hybrid-Heating darzulegen. Als besonders interessante Aspekte am Thema Hybrid-Heating stellten sich die technologischen Lösungsmöglichkeiten für elektrische Beheizung und Gasbeheizung, sowie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen heraus. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hingegen wurden im Kontext Hybrid-Heating ein geringerer Stellenwert zugeordnet.

Bei der abschließenden Beurteilung des Innovationsforums durch die Teilnehmenden wurde der Innovationsgrad, das Marktpotential und die Kompetenz der Partner des Basisnetzwerks als hoch eingeschätzt. Bei der Beurteilung der Marktreife des Konzeptes liegt eine Streuung der Ergebnisse vor, was durch die Vielzahl unterschiedlicher Herangehensweisen begründet werden kann. Die Konkurrenz am Markt wird als gering bis mittel eingeschätzt, die Marktmacht der Netzwerkpartner als mittel bis hoch. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ein großes Potential im Themenfeld Hybrid-Heating besteht. Es besteht noch Forschungs- und Handlungsbedarf, um die Marktreife voranzubringen. Dies bestätigt das IOB in dem Vorhaben, das Netzwerk fortzuführen.

Beurteilung des Innovationsforums Hybrid-Heating
Beurteilung des Innovationsforums Hybrid-Heating
Fortführung des Netzwerks Hybrid-Heating
Fortführung des Netzwerks Hybrid-Heating

Das Innovationsforum Hybrid-Heating hat die selbstgesetzten Ziele der gemeinsamen Lösungsfindung und der Vernetzung der Vertreter der verschiedenen Branchen. Das Konzept des Forums ist daher als erfolgreich zu bewerten. Es bekundeten nahezu alle Befragten die Absicht, auch am zukünftigen Netzwerk teilzunehmen. Die Fortführung des Netzwerks „Hybrid-Heating“ wird primär Form von regelmäßigen Veranstaltungen gewünscht. Dies kann Workshops, Seminare, die Durchführung eines jährlichen Forums oder ähnliche Ansätze beinhalten. Unter anderem wird das Thema Hybrid-Heating vom IOB auf der THERMPROCESS 2019 und auf dem 2. Aachener Ofenbau- und Thermoprozess-Kolloquium am 10. und 11. Oktober 2019 aufgegriffen werden.

Das Institut für Industrieofenbau und Wärmetechnik der RWTH Aachen bedankt sich als Ausrichter bei allen Teilnehmenden und Vortragenden. Besonderer Dank gilt Herrn Dr. Christian Schwotzer als Organisator und treibende Kraft der gesamten Veranstaltungsreihe.